07.12.2008 "Eine reine Nervensache" - Die ersten Wettkampferlebnisse

Zuerst ein Hallo an alle Leser und eine kleine Entschuldigung, das es nun doch ein längerer Artikel wurde als erwartet. Aber ich hoffe es hilft dem ein oder anderen seinen eigenen Schweinehund zu überwinden und sich selbst den Kampf anzusagen.

Bis vor kurzem war es für mich selbstverständlich das man bei Wettkämpfen eigentlich nur als Kanonenfutter antritt, wenn man bedenkt was für gute und erfahrene Schützen aus den eigenen Vereinen auch teilnehmen. Also warum soll man dann selbst daran teilnehmen? Dachte ich mir zumindest. Doch dieses Jahr nahm ich an 2 Wettkämpfen teil, welche nicht unterschiedlicher hätten sein können und mich mehr beeinflusst haben als mir bewusst wurde. Dies waren die ersten Deutschen Kyu-Meisterschaften und die Hessischen Meisterschaften.

Zuerst nahm ich, nach einem recht erfolgversprechenden Wettkampftraining bei dem ich in Hochform war, mit der Hoffnung auf reelle Chancen an der ersten Deutschen Kyu-Grad Meisterschaft teil. Mein erster großer Wettkampf, bzw. mein erster ernsthafter Wettkampf überhaupt. Außerdem war ich verdammt neugierig wie wir Frankfurter uns im Vergleich zu den anderen Teilnehmern schlagen. Wie gut sind wir wirklich wenn es ums Ganze geht? Aber nach dem Betreten der großen Halle und einer Begrüßung erstaunlich vieler bekannter Gesichter aus Prüfungslehrgängen, wurde meine bisherige allgemeine Aufregung auf die nächste Stufe angehoben, was sich prompt in einem dezenten BUMM! meines Köchers äußerte, der mir aus der Hand rutschte. Ich dachte schlimmer könnte es eh nicht mehr werden und es kam schlimmer, als ich bei der Auslosung der Startnummern Omae eines Tachis wurde. Wie war der Ablauf im Taihai nochmal?! Es war toll, ich war vor dem Wettkampf mit den Nerven schon fast am Ende, aber ich fühlte mich durch die Atmosphäre im Raum trotzdem irgendwie großartig.

Bis es begann ...

Geschossen wurde in 2 Modi, am ersten Tag 2 x 2 Pfeile im Taihai für die Stilwertung und am zweiten Tag 4 x 4 Pfeile auf Treffer, wobei die Treffer des ersten Tages dazu zählten.
Der erste Durchgang war aufregender als jede Kyu-Prüfung, mit dem Puls nahe am Herzinfarkt, dem Wissen im Hinterkopf -mach einen Fehler und es gibt Punktabzug" und dem Gefühl, das man plötzlich so stark zittert, als ob man eine unfreundliche Begegnung mit einem Stromkabel hätte. Man kam sich vor wie auf einem Präsentierteller vor 5 hoch dekorierten Dan-Trägern die einen förmlich mit den Blicken auseinandernahmen. Die 27 Augenpaare der anderen Teilnehmer, wobei die 4 Schützen hinter mir im Tachi gerade mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen hatten, und die restlichen Zuschauer hatte man zu dem Zeitpunkt fast vollkommen vergessen. Kaum den 2. Pfeil abgeschossen, musste man den auftretenden Gedanken der Freiheit -Juhu, ich hab's hinter mir!" im Keim ersticken um noch in einer ordentlichen Form den Ausgang zu erreichen. Man kann sich nicht vorstellen, welcher Druck von einem abfällt wenn man das nicht selbst einmal mitgemacht hat. Vor dem 2. Durchgang gab es eine Pause, zum einen um das üppige Buffet plündern zu können, zum anderen um eine vorläufige Wertung aller Teilnehmer aushängen zu können. Kaum hingen die Zettel aus, sind fast alle, ich nicht ausgenommen, wie die Motten zum Licht darauf zu gestürmt. Die Konkurrenz war stärker als erwartet, aber noch war alles offen. Gestärkt, entschlossen und ausgestattet mit ein paar wertvollen Tipps ging es in die 2. Runde. Im Vergleich zum ersten Durchgang, welcher vom Stress her nicht zu übertreffen gewesen ist, war man jetzt etwas ruhiger und ausgeglichener, aber trotzdem lagen die Nerven blank.
Nun muss ich mich aber auch einmal bei der Wettkampfleitung, Organisation und Co. bedanken, denn uns wurde eine sehr gute Betreuung zu teil. Besonders das man uns immer kurz vor Einlauf des Tachis so zum lachen gebracht hatte, hat uns den Stress zum Teil vergessen lassen. Danke schön!
Erst nach dieser Runde konnte ich die anderen Schützen wirklich aufmerksam beobachten, denn am Endergebnis der Stilwertung konnte ich eh nichts mehr ändern. Es war interessant zu erkennen in welchen Kleinigkeiten sich einer vom anderen unterschied und wo man sich selbst wiedergefunden hat. Immerhin waren Kyuträger vom Norden bis zum Süden vertreten. Damit war der erste Teil der Kyu-Meisterschaften so gut wie gelaufen, es hieß nur noch abwarten und entspannt, bzw. gespannt dem Ergebnis der Wettkampfrichter harren, welches dazu führte das ich in Hochstimmung dem 2. Tag entgegensah. 5. Platz in der Stilwertung und ich hatte wenigstens meine 2 von 4 Treffer!

Die allerdings ließen mich am nächsten Tag prompt im Stich und von Runde zu Runde kam ich auf den Boden der Tatsachen zurück. Es läuft eben nicht immer alles wie gewünscht. Da die Meisterschaft in einer sehr schönen großen Halle stattfand, konnten 2 Tachis gleichzeitig schießen und so schritt der Wettkampf recht schnell voran. Mittlerweile chancenlos abgeschlagen hatte ich weiter versucht mein bestes zu geben, auch wenn es in diversen Irrläufern endete.
Ich war von meiner Leistung an diesem Tag zwar nicht begeistert, aber so erfuhr ich eine der ersten Lektionen bei Wettkampfteilnahmen recht schnell - es wegzustecken. Es geschehen keine Katastrophen, die Welt geht nicht unter und das wichtigste, man ist nicht alleine. Es wird immer bessere und schlechtere Schützen geben, aber so lernt man immerhin sich selbst etwas besser einzuschätzen.
‹ber den gesamten Wettkampf gesehen konnte ich aber doch recht zufrieden sein. Immerhin hatten wir die Ehre der Frankfurter zur Genüge verteidigen und 2 Stilpreise ergattern können. Einer davon hängt bei mir an der Wand! Alles in allem gesehen waren die Kyu-Meisterschaften doch so interessant, spannend und lustig verlaufen, dass ich gerne wieder daran teilnehmen würde.
Wenn man im Nachhinein die gesamten Ergebnisse, sowohl der Stil als auch der Trefferwertung, genauer betrachtet hat, konnte man feststellen, das die Trefferquote so gut wie gar nicht mit dem Stil konform ging. Es gab Schützen in der oberen Stilplatzierung mit über 50 % Treffer, aber auch Schützen die fast am Ende der Stilplatzierung waren und ebenfalls mehr als 50% Trefferquote erreichten. Da stellt man sich dann doch die Frage welchen Wert eine gute Form hat, wenn es bei Wettkämpfen nur rein ums treffen oder nicht treffen geht. Oder, welchen Wert hat ein Treffer, wenn die persönliche Form darunter leidet? Das muss jeder mit sich selbst ausmachen, denn immerhin gewinnt man nur mit einer guten Form, aber einer fürchterlichen Trefferquote, auch keinen Blumentopf. Aber es ist eine Grundlage auf der man aufbauen kann.
Genug des Abschweifens ... einen kleinen Vorteil, den mir diese Kyu-Meisterschaft so nebenbei gebracht hat, muss ich doch noch erwähnen. Meine, schon am Wochenende darauf, folgende Prüfung zum ersten Kyu saß ich gewissermaßen auf der linken Backe ab. Von Prüfungsstress war keine Spur zu sehen, zumindest was das Schießen selbst betraf. So gesehen hätte die Deutsche Kyu Meisterschaft ruhig schon 1 Jahr früher kommen können :).

Aber kommen wir nochmal auf das Thema "Kanonenfutter" zurück und somit zu dem zweiten oben erwähnten Wettkampf, den Hessischen Meisterschaften. Da dieses Jahr nur Schützen vom 3. Kyu bis zum 3. Dan daran teilnehmen konnten, warum auch immer, wurde man mehr oder weniger "gebeten" daran teilzunehmen und ich ließ mich auch noch breitschlagen. Aber dieses mal waren meine eigenen Ziele tiefer angesetzt, also eher auf einem realistischen Maß. Ich wollte einfach nur eine Trefferquote von 50 % in einem Wettkampf erreichen und wäre damit vollkommen zufrieden gewesen. Eine Platzierung hatte ich nicht ins Auge fassen wollen, immerhin konnte mehr als der halbe Frankfurter Verein daran teilnehmen und das hieß leistungsstarke Schützen, die schon oft genug ihre Wettkampffähigkeiten unter Beweis gestellt hatten.

Am Tag der Abrechnung, oder auch Wettkampftag genannt, musste ich allerdings mit Erstaunen feststellen das sich nur 14 Schützen aus ganz Hessen angemeldet hatten, davon 9 aus unserem Verein. Wenn man die Gesamtzahl der hessischen Schützen betrachtet, so sind das gerade mal um die 10 Prozent! Wobei die Beschränkung der Graduierung nicht wirklich hilfreich war die Anzahl der Wettkampfteilnehmer zu steigern, obwohl bei einer Hessenmeisterschaft doch eigentlich der oder die Beste aus ganz Hessen ermittelt werden sollte, egal welcher Graduierung. Es gibt immerhin einige Schützen in den hessischen Vereinen, die auch einen 4. oder 5. Dan an der Wand hängen haben.
Womit wir auch gleich beim Modus der Hessischen Meisterschaften angekommen sind: 5 x 4 Pfeile auf Treffer.

Da in einem gewissermaßen familiären Rahmen geschossen wurde, alles bekannte Gesichter, die eigenen Trainer und Vereinsmitglieder auf der Zuschauerbank, verlief der Anfang ziemlich unspektakulär. Selbst bei der Auslosung der Startreihenfolge hatte ich das Glück auf meiner Seite und erhielt als Position die Goldene Mitte des zweiten von drei Tachis. Während wir uns kurz etwas einschossen, mutierte auch die Zuschauerbank - zu einer Sitzgelegenheit für Fotografen, welche sich ebenso etwas "einschossen". Gewappnet mit einer "sehen wir mal was raus kommt" - Einstellung und einem Gefühl als ob man beim normalen Training wäre ging es in die erste Runde.
Und ganz genauso habe ich dann auch geschossen mit 2 von 4 Treffern, allerdings musste ich auch zwischen dem Aufstehen und dem Abknieen aufpassen, daß ich weder meinem Vordermann mit dem Bogen einen neuen Scheitel ziehe oder mit den Pfeilen meines Hintermannes kollidiere.
Nach dieser Runde, diversen Fragen und unausgesprochenen Flüchen unsererseits, erfuhren wir dann auch das wir hier mit dem Minimalabstand von 1,5 m zwischen den Schützen zurechtkommen müssen und somit etwas mehr als sonst aufpassen sollen. Als ob wir uns nicht schon zur Genüge auf andere Dinge konzentrieren müssen!

Während der zweiten und dritten Runde blieb das Feld relativ dicht gedrängt, ich hatte zusammen mit 2 anderen Schützen die 50% gehalten und nur einer war mit 8 von 12 Treffern der einzige Ausreißer. Bis jetzt war ich noch die Ruhe in Person und mit mir und der Welt, besonders mit einem äußerst leckeren Schokoladenkuchen, welcher in der Wettkampfpause nach dem 3. Durchgang verspeist wurde, zufrieden. Die Pause war für alle ganz angenehm, auch wenn wir unsere Witze rissen und dabei angestachelt wurden doch gefälligst die nächsten 2 Runden ein paar 4er zu schießen, damit etwas Spannung aufkommt und wir uns etwas von den anderen absetzen.

Wie es dann dazu kam, kann ich selbst nicht nachvollziehen, aber mein Unterbewusstsein nahm die Aufforderung persönlich und so setzte ich in der 4. Runde doch gleich 4 Treffer ins Mato. Auch wenn ich eigentlich meine innere Ruhe beibehalten wollte, so entwickelten meine Gesichtsmuskeln doch dermaßen ein Eigenleben, so das ich mit dem breitesten Grinsen im Gesicht auf den Ausgang zusteuerte. Zu dem Zeitpunkt war es mir so etwas von egal wie ich in der letzten Runde schießen würde, ich hatte meine eigenen Erwartungen übertroffen, den 3. Platz so gut wie sicher und war mit mir zufrieden. Nichts erwarten und sich dann selbst überraschen hinterlässt doch ein schöneres Gefühl als die Enttäuschung bei zu hohen Erwartungen. Jedenfalls lies der Führende meinen 4er nicht auf sich sitzen und pfefferte seinerseits in der 4. Runde 4 Pfeile ins Mato. Nachdem ich dann doch mehr als nur einen Blick auf die Treffertabelle geworfen hatte, die innere Ruhe war jetzt sowieso dahin und es kam wirklich Wettkampffeeling auf, wurde mir bewusst, das ich mir mit 2 Treffern in der letzten Runde auch den 2. Platz sichern könnte. Meine 3 Treffer in Runde 5 reichten dafür auch locker aus.

Das war es also, 13 von 20 Treffern, für mich ein tolles Ergebnis und obwohl ich eigentlich nicht so für Treffer-Wettkämpfe bin, war ich froh daran teilgenommen zu haben. Allerdings war es dann doch nicht so schnell vorbei wie gehofft, denn da war ja noch der Eine im letzten Tachi und ich fing an seine Treffer zu zählen. Alles was er brauchte waren 2 Treffer um mich zu überholen und das sollte eigentlich kein Problem für ihn sein. Das mir dann doch leicht anders wurde und ich mir mit zitternden Händen das Muneate und den Handschuh wieder anzog lag daran, das wir beide am Ende 13 Treffer hatten und ich ins Stechen um den 1. Platz musste.

Verdammt!

Ein Bericht von Beate Dorst