Die Pfeile
"Seisha Seichu"
Eines der wesentlichen Ziele des Kyudo ist Seisha Seichu (Korrektes Schießen - Korrektes Treffen).
Ein Treffer ist die natürliche Folge eines korrekten Schusses. Dafür ist neben der Schießtechnik auch das richtige Material wichtig. Bogen, Sehne und
Pfeile müssen zusammenpassen und dem Schützen ein optimales Schießen ermöglichen. Für die Auswahl der Pfeile gibt es im Allgemeinen drei wichtige Punkte.
1. Die Biegesteifigkeit des Schaftes (Nohari)
2. Die Balance des Pfeils
3. Die Befiederung
Nohari (Biegesteifigkeit des Schaftes)
Die Länge des Schaftes, die Wandstärke und natürlich das Material selbst bestimmen die Biegesteifigkeit des Pfeils. Die optimale Biegesteifigkeit des
Schaftes, gleich ob er aus Bambus, Alu oder Carbon besteht, ist abhängig von der Zugstärke des Bogens.
Im Abschuss schiebt die Sehne den Pfeil an der Nocke nach vorn, wobei ein Vielfaches der Bogenkraft auf den Pfeil übertragen wird. Der
Pfeil wird gestaucht und weicht seitlich aus, er fängt an zu schlingern. Im Verlauf des Flugs zieht sich der Pfeil wieder gerade. Das bedeutet,
dass sich im Moment der Kraftübertragung Pfeil und Bogen gar nicht mehr berühren. Diesen Effekt nennt man "Archer's Paradox".
Beim Kyudo biegt sich der Pfeil nach innen zum Bogen hin, da die Kräfte des Hineri auf den Pfeil einwirken und die Sehne bei Abschuss von außen
nach innen freigegeben wird. Die Sehne rotiert gegen den Uhrzeigersinn, der Schaft biegt sich im Uhrzeigersinn.
(Zeichnung nicht maßstabsgetreu)
Beim westlichen Bogenschiessen ist es genau umgekehrt. Der Pfeil liegt auf der anderen Seite des Bogens und die Sehne wird von Zeige- und Mittelfinger
freigegeben.
Archer's Paradox und Schießtechnik
Gleich welche Schießtechnik man verwendet, das Archer's Paradox kann durch eine möglichst erschütterungsfreie Abschusstechnik minimiert werden. Die
Sehne sollte weitest gehend ohne Störung oder Ablenkung vom Daumen gelöst werden. Eine möglichst lange Kraftübertragung auf den Pfeil wirkt sich
stabilisierend auf den Pfeilflug aus. Das heißt, eine gute und schnelle Arbeit der linken Hand im Abschuss ist ungeheuer wichtig (Tsunomi no Hataraki).
Wenn die Sehne den Pfeil lange schiebt, bleibt die Nocke noch während der starken Stauchung und Biegung auf der Sehne, die Wegstrecke des
"leeren Schusses" (Sehne ohne Pfeil) wird kleiner, was auch dem Bogen gut tut.
Man sollte wissen, welche Kombination für den eigenen Stand der Entwicklung passend ist.
Der Makiwara-Pfeil ist schwer und dick, was für die kurze Entfernung und die meist noch unbalancierte Schießtechnik optimal ist.
Der Mato-Pfeil muss besonders der Bogenstärke und der Auszugslänge angepasst werden.
Allgemeine Angabe zum Alu-Schaft (Easton)
Bezeichnung |
Durchmesser |
Gewicht bei 1m Pfeillänge |
Bogenstärke |
Auszugslänge |
1912 |
7,5mm |
24,80 gr. |
Unter 13 kg |
Unter 85 cm |
1913 |
7,5mm |
26,84 gr. |
12-15 kg |
Unter 90 cm |
2013 |
8,0mm |
29,10 gr. |
15-17 kg |
Unter 95 cm |
2015 |
8,0mm |
31,62 gr. |
Über 16 kg |
Unter 100 cm |
Allgemeine Angabe zum Bambuspfeil (Gendai Kyudo Kouza)
Bogenstärke |
Pfeildurchmesser |
Gewicht bei 91 cm Pfeillänge |
25 kg |
9,0 mm |
30 - 32 gr. |
20 kg |
9,0 mm |
28,2 - 29,2 gr. |
18 kg |
8,7 mm |
27,3 - 28,2 gr. |
16 kg |
8,4 mm |
25,5 - 26,3 gr. |
14 kg |
8,0 mm |
24,4 - 25,5 gr. |
12 kg |
7,6 mm |
23,3 - 24,4 gr. |
Beim Bambuspfeil ist der Sodesuribushi (der dritte Bambusknoten von der Spitze) oben platziert, damit die stärkste Belastung am Schaft nicht direkt
am Knoten stattfindet.
Die Balance des Pfeils
Der Schwerpunkt des fertigen Pfeils liegt nicht in der Mitte, sondern etwas zur Spitze hin. Wenn man den Pfeil mit zwei Fingern in der Mitte hält
und dann Nocke und Spitze seitlich schwenkt, bewegen sich Nocke und Spitze gleich schnell.
Wenn man aber den Pfeil etwas mehr Richtung Spitze (am Schwerpunkt) greift und schwenkt, ist der Radius der Spitze kleiner. Die geringere Schwankung
an der Spitze ermöglicht einen stabileren Flug.
(Zeichnung nicht maßstabsgetreu)
Die Befiederung
Die Befiederung spielt für die Flugstabilität und Durchschlagskraft/Geschwindigkeit eine große Rolle.
|
Fluggeschwindigkeit |
Drehung |
Durchschlagskraft |
Flugstabilität |
Feder lang |
Langsam |
Langsam |
Klein |
Stabil |
Feder kurz |
Schnell |
Schnell |
Groß |
Instabil |
Feder hoch |
Langsam |
Langsam |
Klein |
Stabil |
Feder niedrig |
Schnell |
Schnell |
Groß |
Instabil |
Drei Faktoren wirken sich auf die Flugstabilität aus:
1. Biegesteifigkeit des Schafts
2. Stärke und Dauer des Schleifkontaktes des Pfeilschaftes am Yasuri To (Wicklung am Bogen über dem Griff)
3. Stärke des Schleifkontaktes der Feder am Yasuri To.
Haya und Otoya unterscheiden sich durch die Drehrichtung der Federn. Der Otoya dreht sich gegen den Uhrzeigersinn, der Haya dreht sich im Uhrzeigersinn.
Im Hinblick auf das Archer's Paradox kann man feststellen, dass die Yuzuri Ba (Innenfeder) des Otoya weniger am Yasuri To schleift als die Yuzuri Ba des
Haya, da der Otoya-Pfeil sich im Abschuss nach außen dreht. Aus diesem Grund verschleißt die Innenfeder (Yuzuri Ba) beim Haya schneller als beim Otoya.
(Zeichnung nicht maßstabsgetreu)
Kleiner Einschub zum Izume (Kyudo Zanmi Ver.2)
Es gibt einen Spruch: "Izume niha Otoya wo motte nozomeyo" (nimmt Otoya zum Izume).
In der Wettkampfordnung der ANKF steht bei Izume "Hitote" (zwei Pfeile), aber es ist nicht vorgeschrieben, dass man unbedingt Haya und Otoya nehmen soll.
Im Hinblick auf oben aufgeführtes, wird der Sinn dieses Spruches verständlich.
Der allgemeine Einfluss der unterschiedlichen Materialien von Bogen, Pfeil und Sehne
|
Belastung des Bogens, Vibration (*1) |
Geschwindigkeit des Pfeils, Trefferbild (*2) |
Lebensdauer der Sehnen (*3) |
Dicke, schwere Sehen |
Gering |
Leicht abfallend |
Lang |
Dünne, leichte Sehnen |
Groß |
Leicht schneller |
Kurz |
Schwerer Pfeil |
Gering |
Leicht abfallend,Trefferbild stabil,eher unterhalb des Matos |
Lang |
Leichter Pfeil |
Groß |
Schneller Schusspunkt,Trefferbild instabileher oberhalb des Matos |
Kurz |
Dicker Pfeil *3 |
Gering |
Trefferbild stabilRichtung 2 Uhr im Mato |
Lang |
Dünner Pfeil *3 |
Groß |
Trefferbild instabilRichtung 8 Uhr im Mato |
Kurz |
Dicker, schwerer Bogen |
Klein |
Leicht abfallend |
Lang |
Schmaler, leichter Bogen |
Groß |
Schneller |
Kurz |
(*1) Belastung des Bogens
Insbesondere für Bambusbogen, der für Klimabedingungen (Temperatur und Feuchtigkeit) und Behandlung empfindlich ist, ist es wichtig, eine optimale
Materialkombination zu wählen.
Je größer die Zugstärke, je schmaler und leichter der Bogen ist, und je größer die Urazori (Biegung gegen die Zugrichtung in abgespanntem Zustand) des
Bogens ist, desto größer wird die Belastung. Andererseits ist die Kraftübertragung dieser Bogen auf den Pfeil wesentlich stärker.
(2) Geschwindigkeit des Pfeils, Trefferbild
Leichte (dünnere) Pfeile erreichen zwar eine höhere Geschwindigkeit, sind jedoch auf Grund der auf sie wirkenden Kräfte weniger stabil. Daher kann man
sagen, dass je leichter (dünner) der Pfeil ist, desto ausgeprägter muss die Schießtechnik sein.
A: Ist der Pfeildurchmesser größer, gehen die Pfeile diagonal nach oben rechts.
B: Ist der Pfeildurchmesser kleiner, gehen die Pfeile diagonal nach unten links.
(Zeichnung nicht maßstabsgetreu)
(*3) Lebensdauer der Sehnen
Bei einem fortgeschrittenen Schützen beträgt der Zeitraum zwischen dem Lösen der Sehne aus dem Handschuh und dem Lösen des Pfeils von der Sehne
ca. 15 ms. Ca. 5 ms bewegt sich die Sehne ohne Pfeil weiter nach vorne (Karahazu-Zustand), da die Masse und Oberfläche des Bogens dem Luftdruck
größeren Widerstand leistet als Sehne und Pfeil. Nach diesen ca. 15 ms erreicht der Pfeil die höchste Geschwindigkeit bzw. nimmt der Pfeil die volle
Kraft von der Sehne auf, dann wird die Geschwindigkeit des Bogens und der Sehne langsamer als die des Pfeils. Der Karahazu-Zustand ist bei Anfängern
länger (der Pfeil trennt sich früher von der Sehne) als bei fortgeschrittenen Schützen, dadurch reißen Sehnen schneller. Um eine optimale Übertragung
der Kraft des Bogens auf den Pfeil zu erreichen muss eine optimale Arbeit der Tsunomi angestrebt werden (Tsunomi no Hataraki), um den Pfeil möglichst
lange mit der Sehne zu schieben.
Super Pfeil
Die Geschichte des westlichen Bogenschiessens ist eine Materialentwicklungsgeschichte.
Eine führende Pfeilschaftshersteller, Firma Easton hat lange Zeit einen neuen Form des Pfeils, der weniger Einfluss vom Archer's Paradox hat,
stabiles Trefferbild und schnelle Fluggeschwindigkeit resultieren kann, gesucht, und hat endlich einen "Super Pfeil - Mugitsubo" in Japan gefunden,
welches schon in Japan vor 300 Jahre verwendet wurde. Der Form des Mugitsubo-Schaftes hat Vorne und Hinten schmal und Mitte dick. Dieser Mubitsuboförmige
Schaft wird in den nächsten Jahren im Markt erhältlich werden.
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